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  Obdachlosenhilfe Ruhrgebiet & Niederrhein e. V.
  Gründe & Problemstellung der Obdachlosigkeit
 



Wer sind die Obdachlosen?

Aufgrund der Krise des Sozialstaates in vielen europäischen Ländern und der verschlechterten wirtschaftlichen Lage ist in den letzten Jahren die Zahl der Obdachlosen (derzeit ca. 18.000) angewachsen.

Es ist eine schwierige Welt, die nicht einheitlich ist und aus Menschen unterschiedlichen Alters, verschiedener Lebensgeschichten und -situationen besteht.

Immer häufiger sind die Gründe für Obdachlosigkeit nicht auf außergewöhnliche Ereignisse oder besondere Armutssituationen zurückzuführen. Vielmehr handelt es sich um Erlebnisse, die viele betreffen können: Eine Wohnungskündigung, Spannungen in der Familie, die sich nicht lösen lassen, Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Krankheit können Menschen, die nicht die nötige Unterstützung haben und bis dahin ein "normales" Leben geführt haben, dazu bringen, dass es ihnen an allem fehlt. So kann man alten Menschen begegnen, die ihre Wohnung verloren haben, Erwachsene, die nach einer Scheidung alle Beziehungen verloren haben, und immer häufiger Jugendliche ohne Arbeit.

Anders als man oft meint, ist das Leben auf der Straße fast nie das Ergebnis einer Entscheidung. Denn das Leben auf der Straße ist hart und gefährlich; es ist ein täglicher Kampf ums Überleben. Jedes Jahr sterben viele Menschen an Erschöpfung oder durch die Kälte.

Noch viel weniger ist es eine Entscheidung für die Freiheit; die Lage der Obdachlosen ist von großer Verletzbarkeit gekennzeichnet, weil man gezwungenermaßen von allen abhängig ist, auch bei den elementarsten Bedürfnissen. Man ist Aggressionen ausgesetzt, der Kälte, der Demütigung, vertrieben zu werden, weil man unerwünscht ist.

Ohne Arbeit

Keine Arbeit zu haben, ist ein Problem, das im Universum der Straße allgegenwärtig ist, dabei gibt es auch Menschen, die weder Alkoholiker sind, noch drogenabhängig, die keine Vorstrafen haben oder physisch bzw. psychisch beeinträchtigt sind. Sie sind einfach und dramatischer weise arbeitslos.

Sie sind auf der Straße gelandet, weil sie die Arbeit verloren haben. Viele von ihnen erzählen, dass sie in Zeiten der Not keine Hilfe von Seiten der Familie erfahren haben, weder ein Minimum an wirtschaftlicher Sicherheit noch eine Unterkunft, die nötig gewesen wäre, um bis zur Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses überleben zu können. Leider ist das ein Weg, den man nicht leicht verlassen kann; auch nur eine geringfügige Beschäftigung ist notwendig, um den eine Unterkunft unterhalten zu können, und umgekehrt ist es fast unmöglich eine Arbeit zu finden oder zu behalten, wenn man keine Wohnung hat.

Ohne Wohnung


Manche leben auf der Straße, weil sie ihre Wohnung verloren haben. Manchmal machen es auch nur eine vorübergehende Arbeitslosigkeit oder eine zu niedrige Rente unmöglich, die Miete zu bezahlen, und wenn Verwandte fehlen, die jemanden aufnehmen können, wird die Kündigung zum Anfang eines Weges der Ausgrenzung, auf dem man nur schwer umkehren kann. Eine neue Unterkunft zu finden, wird unmöglich, und dann bleibt die einzige Hoffnung, einen Platz in einer Notunterkunft zu finden.

Das Fehlen der Familie

In den vergangenen Jahren hat sich das Universum der Obdachlosen sehr verändert. Die sogenannten Penner sind nur ein kleiner Teil. Man trifft nämlich immer häufiger Menschen, die anscheinend eine normale Vergangenheit hatten, aber dann aufgrund dramatischer aber nicht außergewöhnlicher Ereignisse auf der Straße gelandet sind. Alte Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, Erwachsene, die sich nach einer Scheidung von der Familie getrennt haben und keine Alternative gefunden haben, Jugendliche, die ihre Arbeit verloren haben, Ausländer, die aus Entwicklungsländern kommen. Daraus folgt, dass sich die Gestalt dieses Phänomens in den letzten Jahren sehr verändert hat. Auch das Durchschnittsalter ist niedriger geworden, besonders weil immer mehr Jugendliche unter den Obdachlosen sind.

Bei vielen Menschen beginnt die Krise mit dem Fehlen der Familie, und das ist meistens auch die Ursache dafür; manche haben nie eine Familie gehabt, bei allen aber ist sie nicht mehr intakt. Besonders die Verschlechterung der Familienbeziehungen drängt viele Menschen auf die Straße. Das ist zweifelsfrei mit Abstand der Hauptgrund, den die Obdachlosen angeben, warum sie auf der Straße gelandet und dort geblieben sind. Die Familie ist wie ein Knotenpunkt, wenn auch nicht der einzige, um das Rätsel von vielen Geschichten zu lösen.

Geschichten von Missverständnissen und zerbrochenen Beziehungen hinterlassen im Leben von allen spürbare Zeichen, umso mehr bei Obdachlosen, für die die Erinnerung an die Familie eine Erinnerung an ein mehr oder weniger stabiles und geordnetes Leben ist. In den Erzählungen spürt man die schmerzende Wunde von verlorener Zuneigung und auch von einem minimalen Wohlstand, der nicht mehr vorhanden ist.

Ein familiäres Umfeld kann große soziale Probleme wie Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, psychische Krankheit und Arbeitslosigkeit mehr oder weniger aushalten; es ist eine Gradwanderung, bei der tragische Geschichten von Unverständnis, Enttäuschungen, Spannungen, Ängsten und manchmal wahre Dramen entstehen und sich verstricken. Meistens werden schwierige Spannungen damit gelöst, dass sich ein Mitglied der Familie freiwillig oder gezwungen von der Familie trennt. Welche Alternativen gibt es? Das ist meistens der Anfang eines Weges ohne Rückkehr.

Frauen auf der Straße
Es ist hart und gefährlich, auf der Straße zu leben. Deshalb begegnet man mehr Männern als Frauen. Trotzdem ist die Zahl der Frauen nicht gering, wenn man berücksichtigt, welche Entbehrungen Obdachlosigkeit mit sich bringt. Die Gleichberechtigung auf der Straße ist keine Errungenschaft, sondern ein Gesetz, das vom Zwang zum Überleben auferlegt wird. Man muss leben und sich verteidigen können wie ein Mann, aber der Kampf ist oft ungleich und die Frauen sind in der Tat doppelt benachteiligt. Die Einsamkeit ist nicht nur eine Last, sondern auch ein Risiko.

Das Paradox, jung aber ohne Zukunft zu sein

Die Anwesenheit von Drogenabhängigen unter den Obdachlosen ist in vielen Ländern neu und nimmt zu. Es handelt sich hierbei um die bedeutsamste soziologische Veränderung im Umfeld der Straße, die sich in den letzten Jahren ergeben hat. Und das prägt dieses Umfeld mehr als es die Daten verraten, da man in diesem Umfeld nur sehr schwer "Umfragen" machen kann.

Es sind Jugendliche mit anderen Lebensgewohnheiten und anderem Verhalten als die herkömmlichen Penner. Sie schlafen nicht in Pappkartons und haben keine verschlissene Kleidung, sie kommen nicht in die gewöhnlichen Einrichtungen für Obdachlose, auch weil sie nicht gern gesehen sind. Schließlich fühlen sie sich nicht als ein Teil des Volkes der Obdachlosen, von denen sie sich ständig abzugrenzen versuchen. Andererseits unterscheiden sie sich manchmal nicht von ihren Gefährten auf der Straße, weil sich ihr Zustand durch Rauschgiftkonsum stark verschlechtert hat. Oft trifft man auf der Straße drogenabhängige Jugendliche, die HIV-positiv oder AIDS-krank sind und nicht einmal nach einem Krankenhausaufenthalt Aufnahme in entsprechenden Strukturen gefunden haben. Und das erschwert ihre schon schwierige Lebenslage.

Die Sterblichkeitsrate aufgrund einer Überdosis oder aufgrund schlechter Rauschmittel ist sehr hoch. Und manchmal kann man wahre Selbstmorde aufgrund von Einsamkeit und Verzweiflung vermuten.

Die Einsamkeit macht verrückt

Die Einsamkeit gehört zum Leben aller Obdachlosen und wird als Realität ertragen, an die sich nicht alle gewöhnen können.

Das heißt nicht, dass diejenigen, die enge Familienangehörige besitzen, wieder Beziehungen mit diesen anknüpfen wollen. Aber das ist ein sehr heikler Punkt, bei dem es keine mechanischen Antworten gibt. Wenn Wiederversöhnungsversuche misslingen, ist das oft schmerzhafter als Erinnerungen und Nostalgie, an die man sich am Ende gewöhnt hat.

Wie leben die Obdachlosen auf existenzieller Ebene die Erfahrung der Straße? Ohne Wurzeln leben, einfach in den Tag hinein, mit wenigem sich arrangieren, welche Folgen hat das für ihr Leben?

Einige haben psychische Probleme. Ruft die Straße in bestimmter Weise psychisches Unwohlsein hervor oder landen gerade diejenigen auf der Straße, die sich schon am Rande der "Normalität" befinden? Die Anwesenheit von Menschen mit psychischen Problemen auf der Straße ist auf alle Fälle der Ausdruck für ein allgemeines Unwohlsein im Leben der Großstädte, das von den Strukturen und Gesundheitseinrichtungen nicht immer aufgefangen werden kann.

Sicherlich trifft die Obdachlosigkeit in den meisten Fällen Menschen, deren Lebensgleichgewicht gestört ist. Die Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft, Einsamkeit und Isolierung, Scham und schwierige Lebensbedingungen sind Prüfungen, die viele nicht meistern können. Einige Psychosen oder Fixierungen, die man bei obdachlosen Menschen beobachtet, sind als Ergebnis des Lebens erkennbar, das sie führen. Unabhängig vom Verlauf der Krankheit und ihren Ursprüngen tragen die Ausformungen, in denen sie auftritt, scheinbar gemeinsame Charakteristiken.

Das Leben auf der Straße ist ein täglicher Kampf ums Überleben.

Bei diesem Kampf muss man lernen sich zu verteidigen. Es gibt viele Feinde: Diebe und Rowdies, die vorbeigehen, die anderen Obdachlosen, die Polizei, das Reinigungspersonal am Bahnhof, aber auch die Kälte, der Regen, die Krankheit, die Feiertage, wenn alles geschlossen ist. Man muss die richtigen Waffen finden, um sich zu verteidigen und immer in Bereitschaft zu sein; ein Irrtum oder eine Naivität muss man teuer bezahlen.

Im Geist von einigen vergrößern die Schwierigkeiten, sich zu verteidigen, und die Angst in immenser Weise die realen Feinde. Das beschäftigt ihre Gedanken so sehr, dass man diese Feinde überall und in jedem zu sehen meint. Deshalb sehen manche hinter jeder Ecke eine Gefahr und hinter jedem Fußgänger einen möglichen Aggressor. Um sie herum baut sie gleichwie eine Mauer auf, die es unmöglich macht, dass man sich ihnen nähert. Manchmal sind sie scheu, können auf keine Fragen antworten oder Hilfe annehmen, andere Male sind sie aggressiv. Es ist ein Gefängnis, aus dem man nur schwer herauskommt.

Verfolgungswahn oder reale Gefahren? Was zählt ist auf alle Fälle die Tatsache, dass der "Wahn" ein konkretes, spürbares Problem ist, das Leid hervorruft und dazu zwingt, bestimmte Entscheidungen zu fällen.

Es gibt Menschen, die zum Beispiel von anderen kein Essen annehmen und auch keine Mensa für die Armen besuchen, weil sie Angst haben, vergiftet zu werden. Andere setzen sich nur mit den Schultern an eine Mauer gelehnt, weil sie Angst haben, angegriffen zu werden; wieder andere verschließen sich und bleiben hartnäckig stumm, weil sie Angst haben, streiten zu müssen. Übertriebene Verteidigungsmechanismen, aber keine irrationalen Wahnvorstellungen. Übertreibungen und die Furcht, dass sich negative oder schmerzhafte Erfahrungen wiederholen, erklären diese Verhaltensweisen einleuchtend.

Nicht selten trifft man Frauen und Männer, die mit sich selbst sprechen; manchmal sprechen sie mit jemanden, den es nicht gibt, der aber für sie wirklich da ist. Stellen wir uns vor, was es bedeutet, tagelang mit niemanden zu sprechen: dann muss man es sich ausdenken. Mit diesem "ihn", den es nicht gibt, kann man endlich über Dinge diskutieren, die niemanden zu interessieren scheinen oder die durch das viele Unrecht erstickt wurden, das man erlitten hat.

Wenn man stehen bleibt, um mit ihnen zu sprechen, entdeckt man, dass sie einen wirklichen Gesprächspartner brauchen, jemand, der Fragen stellt, der antwortet, der eine wirkliche Stimme hat. Dann wird ein großes Bedürfnis deutlich, sich auszudrücken, das nicht immer der Fähigkeit entspricht, sich verständlich zu machen; man spürt ein Bedürfnis, Erinnerungen und Situationen wieder in einen Zusammenhang zu bringen. Und wenn man aufmerksam zuhört und versucht, einen Dialog zu beginnen, dann werden anscheinend sinnlose Sätze "auf wunderbare Weise" logisch.

Manchmal scheinen die Erzählungen zeitlos zu sein oder besser, sie scheinen in eine Zeit hinein zu gehören, die an einem bestimmten Augenblick ihres Lebens stehen geblieben ist. Bei anderen ist das Sprechen aus mangelnder Gewohnheit eine Anstrengung, oder es fällt ihnen so schwer, dass sie nur wenige Worte sagen können.

Andere können sich nur durch Schreien äußern. Nicht immer richtet sich ihr Schreien gegen jemanden; manchmal ist es nur der Ton der Stimme, der lauter als normal ist, oder es ist eine Art, sich anfangs aggressiv auszudrücken. Der Wunsch, Aufmerksamkeit zu erregen, und eine Art Verteidigung gegen eine feindliche Welt kommen hier zusammen. All das vergrößert ihre Isolierung wie in einem Teufelskreis. Hinter diesen Schreien verstecken sich aber oft verängstigte Menschen, Opfer der Angst der anderen, der Welt, der Einsamkeit. Wenn man stehen bleibt und mit ihnen spricht, entdeckt man oftmals eine Fähigkeit, einen Dialog zu führen, den man für unmöglich hielt. Die Schreie hören dann auf oder der Ton der Stimme wird wieder normal.

Was die sozialen Beziehungen betrifft, fehlt es bei Menschen, die auf der Straße leben, an noch vielen anderen Dingen, und das ist nicht ohne Folgen. Denn die innere Stabilität ist eng mit der Stabilität der Zuneigung, einer Unterkunft, der Gewohnheiten und der Beziehungspunkte verknüpft. Wenn all diese Dinge fehlen, und das trifft normalerweise für Menschen auf der Straße zu, entstehen "seltsame" Verhaltensweisen. Jede Seltsamkeit hat eine Geschichte, die oft voller Leid ist.

Der Kampf, die eigene Würde zu erhalten

Die Tatsache, dass für Menschen auf der Straße einige Gewohnheiten des Alltagslebens nur schwierig zu erhalten oder sogar unmöglich sind, wirkt sich auf ihr Gleichgewicht aus. Die Wäsche wechseln, sich waschen oder sich rasieren wird nämlich zu einem großen Problem. Diese Dinge sind für alle das Symbol für die Würde der eigenen Person; wenn man schmutzig oder schlecht angezogen ist, heißt das gleichwie, dass man die eigene Würde verloren hat.

Manche Obdachlose führen einen täglichen Kampf mit den Zeiten der wenigen kostenlosen Duschmöglichkeiten und der Zentren, in denen Kleidung verteilt wird, um ein würdiges Aussehen zu erhalten. Einige stoßen bei diesem Wettlauf auf Hindernisse und lassen sich gehen. Je größer die Isolierung ist, desto eher verliert man die Motivation, die eigene Person zu pflegen; aber das bedeutet nicht, dass der Wunsch oder die Sehnsucht bleibt, es zu tun.

Hinter diesen Personen, die anscheinend verwildert sind und Gewohnheiten nicht pflegen, auf die wir nicht verzichten wollen, wird die Wirklichkeit einer gedemütigten Würde, von unausgesprochenen Wünschen und nicht erwarteten Hoffnungen sichtbar.

Der Sturm des Lebens

Viele Obdachlose sind alkoholabhängig. Die Zahl derer, die Wein trinken oder sich betrinken, ist sicherlich sehr hoch.

Wenn man auch den Lebensweg dieser Alkoholiker nicht immer leicht zurückverfolgen kann, so ist doch sicher, dass ihr Obdachlosendasein diese Gewohnheit verstärkt, sowohl wenn man erst auf der Straße abhängig geworden ist, als auch wenn man es schon vorher war.

Was führt dazu, dass diese Menschen soviel Wein trinken, dass sie fast ständig betrunken sind?

Der Grund, warum sie zu trinken begonnen haben, ist manchmal ein zufälliger und liegt weit zurück. Andere Male ist es ein Schritt auf einem langen und komplizierten Weg in ein Randdasein. Auch wenn es nützlich ist, den Lebensweg dieser Alkoholiker zurück zu verfolgen, reicht es nicht aus, sich der Anfangsgründe bewusst zu werden, um sie von der Sucht zu befreien. Das gilt auch für sie selbst; allein das Wissen um die anfänglichen Gründe ihrer Lage reicht nicht aus, um ihnen zu helfen, vom Alkohol loszukommen. Viel wichtiger sind die sogenannten "sekundären" Gründe, das heißt die Gründe, die eng mit dem Leben auf der Straße verbunden sind, und das sind nicht wenige.

Die innere und äußere Kälte

An erster Stelle die Kälte. Auf der Straße sind die Härten des Winters manchmal unerträglich, und die Obdachlosen haben oft nicht genügend Mittel, um sich vor ihr zu schützen. Das Trinken wird fast eine Notwendigkeit, auch wenn das anfängliche Gefühl der Wärme ein Trugschluss ist. Das erklärt die Todesfälle durch Erfrieren, die es leider in jedem Winter gibt. Nicht selten trifft man auf der Straße Alkoholiker, die stark unterernährt sind, die sich kaum auf den Beinen halten können, nicht nur weil sie betrunken sind, sondern einfach weil sie entkräftet sind. Denn je mehr man trinkt, desto weniger isst man und desto weniger Appetit hat man.

Die Nacht geht nie zu Ende

Wenn man auf der Straße schläft, fällt es schwer einzuschlafen. Die Orte, wohin die Obdachlosen sich nachts zurückziehen, sind nicht nur ohne jegliche Bequemlichkeit, sondern auch sehr lärmerfüllt. Wenn man getrunken hat, wird der Schlaf so tief, dass man weder Kälte noch unbequeme Lage noch das Chaos um sich herum wahrnimmt.

Die Feindin Einsamkeit

Die größte Feindin für Menschen auf der Straße ist die Einsamkeit. Man verbringt ganze Tage damit, in der Stadt mitten unter Hunderten von Menschen herumzulaufen, aber man ist allein. Wenn man einsam ist, werden die Last der Erinnerungen, die Sorgen um die Gegenwart und die Zukunft schwerer. Der einzige Weg, um davor zu flüchten, besteht darin, sich zu betäuben in der Hoffnung zu vergessen. Zur Kälte, zum Hunger und zur Einsamkeit gesellt sich oft noch die Scham über die eigene Lebenslage.

Der Alkohol verändert nicht nur objektiv das Leben dieser Menschen, sondern verändert auch ihren Charakter, ihren Gemütszustand, er beeinträchtigt ihr Handeln so sehr, dass sie sich nicht mehr als Herren ihrer selbst fühlen. Und das ist für sie eine leidvolle Erfahrung, denn es ist ein Teufelskreis, der sich selbst erhält.

Oft sind diese Menschen nicht mehr jung und haben eine Lebenskrise durchgemacht, die sie vielleicht überstanden hätten, wenn sie die nötige Unterstützung erfahren hätten. Doch dann wurde sie zum Anfang eines stufenweisen aber unumkehrbaren Abstiegs aus der Gesellschaft heraus. Alkoholiker wird man nicht an einem Tag, und je länger die Gewohnheit des Trinkens andauert, umso schwieriger kommt man von ihr los.

Für wen leben?

Der Wunsch nach einem "normalen" Leben erlischt in diesen Menschen nicht, aber ihre aktuelle Lage ist so schwierig, dass er als ein unerfüllbarer Traum erscheint. Ihre Existenz schwankt oft zwischen dem Wunsch, ihr Leben zu verändern, und der Angst, einen Neuanfang nicht zu schaffen.

Welchen Nutzen hat es, das Trinken aufzugeben, wenn das Leben danach wie vorher weitergeht ohne Wohnung und Arbeit? Warum wieder neu anfangen? Vielleicht sollte man sich aber fragen warum und für wen man aufhören soll. Nicht für die Familie, die es manchmal nicht gibt oder in der es zu einem nicht wiedergut zu machenden Bruch gekommen ist; nicht für die Freunde, die man nicht hat, nicht wegen der eigenen beruflichen Fähigkeiten, die in vielen Fällen mit der Gesundheit verloren gegangen sind oder die man niemals besessen hat. In den meisten Fällen fehlt es nicht am Wunsch aufzuhören, sondern an den Gründen, wegen denen man es tun soll.

Dieses Problem ist eng mit der Lebensqualität dieser Alkoholiker verbunden, denn oft fehlt es ihnen an jeglichen materiellen Dingen. Ein Dach über dem Kopf, die Möglichkeit, sich regelmäßige Rhythmen und Gewohnheiten anzueignen, eine Stabilität und eine materielle Sicherheit im Alltagsleben wieder zu gewinnen, all das sind unverzichtbare Voraussetzungen für eine mögliche Wiedereingliederung. Und die Lebensqualität besteht auch aus einem Netz von menschlichen und sozialen Beziehungen, von Interessen und Erwartungen. Diese Verknüpfung ermöglicht eine Eingliederung in das soziale Umfeld, das für obdachlose Alkoholiker oftmals durch jahrelange Isolierung und Ausgrenzung völlig zerstört ist. Man kann nicht von Neuanfang sprechen, wenn man dieses Netz nicht wiederherstellt.

Das Leben an einem seidenen Faden 

Das Leben dieser Menschen hängt außerdem an einem seidenen Faden. Denn Alkoholismus und die daraus folgenden Krankheiten, sowie die Unfälle durch Trunkenheit sind eines der häufigsten Todesursachen bei den Obdachlosen.

Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Das Leben auf der Straße ist, anders als man normalerweise meint, fast nie das Ergebnis einer freien Entscheidung. Vielleicht ist es ein "folgenrichtiger Verlauf" einer schwierigen persönlichen Geschichte, bei der sich verschiedene Elemente anhäufen: "Unglück", Irrtümer, Krankheiten und Enttäuschungen. Besonders aber das Verlassenwerden vom sozialen Umfeld. In vielen Fällen ist es gerade dieses schuldhafte Im-Stich-Lassen, das zu einem traurigen Ende einer Geschichte führt, die doch nur "schlecht angefangen" hatte.

Die Last dieses Verlassenwerdens erleben diese Menschen wie ein Urteil der Gesellschaft. Und die Angst vor neuen Enttäuschungen des Lebens verhindert in vielen Fällen, dass man einen Ausweg findet, auch wenn man verzweifelt danach sucht. Hinter der Ablehnung von Hilfe auf Seiten einiger verbirgt sich die Angst, noch einmal enttäuscht zu werden. Dazu kommt die Schwierigkeit, mit dem Durcheinander der Aufnahmezentren oder den wenig flexiblen Öffnungszeiten zurecht zu kommen, außerdem die Angst vor Gewalt und Streitigkeiten, die Frucht vor Diebstahl oder die Unfähigkeit, mit anderen zusammen zu leben, die durch jahrelange Isolierung entstanden ist.

Das alles weist nicht auf den Wunsch nach Unabhängigkeit hin, sondern ist ein Symthom dafür, dass man tief unglücklich ist und völlig resigniert hat. Es gibt eine große Suche nach einer besseren Zukunft, die ohne Antwort bleibt. Sie kann aber jedem wieder geschenkt werden, genauso wie der Respekt, das Verständnis und materielle Hilfe, die alle verdient haben, besonders wenn man ihre so schwierige Lebenslage bedenkt.

 
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